Life-Goals einer 14-Jährigen

Gestern Abend vor dem Hauptbahnhof in Leipzig. Wer die Verkehrslage dort kennt, weiß, dass man regelmäßig beim Überqueren der Straßenbahnschienen um sein Leben bangen muss, wenn man es nicht schon vorher durch rücksichtslose Amokfahrradfahrer auf dem Gehweg verloren hat (mein Blog besteht nur noch aus maßlosen Übertreibungen, stelle ich fest, aber irgendwie muss man ja Aufmerksamkeit generieren). An diesem Unfallschwerpunkt sollte sich unbedingt mal was ändern, will ich damit eigentlich nur sagen.

Es folgt eine sozialarbeiterische Beobachtung (ja, ich studiere das!). Gedankenprotokoll:

Nachdem mein Freund und ich wie durch ein Wunder mal nicht von einem Fahrradfahrer umgenietet wurden, wagten wir uns todesmutig aus Richtung Hauptbahnhof kommend gen andere Straßenseite. Doch vorher lauerten noch die Straßenbahnschienen, wie oben bereits erwähnt eines der größten Gefahren Leipzigs. Vor uns befand sich eine Gruppe Jugendlicher, ich mutmaße um die 14 Jahre alt, die lautstark und pöbelnd Gleiches versuchten.

Nachdem zwei männliche Exemplare der eben beschriebenen Peergroup ihren ganzen Mut zusammen nahmen und – kurz bevor eine Straßenbahn in die Haltestelle einfuhr – noch über die Schienen huschten, blieben die weiblichen Pendants dazu aufschreiend zurück. Die Straßenbahn klingelte panisch, wie sie es immer tut. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass Straßenbahnfahrer in ihrer Ausbildung am ersten Tag den Klingelknopf gezeigt bekommen. „Hier, das ist die Straßenbahn, hier entlang in die Fahrerkabine, mit dem Schlüssel ja genau, dann setzen Sie sich bitte einmal und einmal kräftig klingeln, super, Ausbildung bestanden, sie können jetzt direkt los fahren!“

Bin ein bisschen vom Thema abgekommen. Wir waren stehen geblieben bei den beiden Jungs, die schnell noch über die Schiene huschten, die Straßenbahn klingelt, die zwei Mädchen bleiben entsetzt stehen, atmen tief durch und lassen Revue passieren, dass sie dem Tod gerade so von der Klippe gesprungen sind und nie so irre wären wie ihre beiden Boyfriends.

Ich zitiere wörtlich: „Alter, dafür ist mir mein Leben zu wertvoll.“ Vernünftig. Doch es geht noch weiter. Danach begründete sie diese These: „Bevor ich sterbe, will ich noch ein paar Leute stampfen und Drogen nehmen, erst dann kann ich mich vor eine Straßenbahn schmeißen.“

Ich finde: da hat jemand auf jeden Fall eine gut durchdachte Prioritätenliste, einen Lebensplan, einen Sinn des Seins für sich gefunden. Das ist gewissermaßen hohe philosophische Kunst, worüber ich noch länger nachdenken werde.

Habe ich zum Teil auch schon. Was würde ich tun wollen, bevor ich mich vor die nächstbeste Straßenbahn schmeiße, hab ich mich zum Beispiel gefragt. Die Antwort lautete wohl: viel wilden Sex haben, noch viel mehr gutes Essen essen und massenhaft Blogeinträge schreiben. Ich hab‘ also noch einiges zu tun, bis ich mich vor die LVB schmeiße. Oder ich lasse letzteres einfach. Dann habe ich nicht so einen Zeitdruck das Leben zu genießen.

Bis bald. Tschöö.

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