Angst vor der Armut

Armut ist, man kann es kaum fassen, auch in so einem reichen Land wie Deutschland ein prägendes, gesellschaftliches Thema. Das wird oft betont. Politisch wird dieses Thema meiner Meinung nach jedoch viel zu klein besprochen, weshalb ich wohl auch die lauten Stimmen von links (Die LINKE, Sammlungsbewegung „aufstehen“ und so weiter) in diesem Zusammenhang nicht immer schlecht finde.

Das Armutsrisiko, so liest man, reicht heute immer weiter in die Mittelschicht hinein. So sind nicht nur Arbeitslose betroffen, sondern auch Alleinerziehende, Kinder und Menschen mit Migrationsgeschichte. Das einzige, was wir haben, was uns vor dem Abrutschen in Armut schützt, ist unsere Arbeitskraft und fällt diese aufgrund von Krankheit oder individuellen, biografischen Ereignissen (eben Dingen wie Kinderkriegen, Umzug, Scheidung) weg, ist man zeitlich ganz schnell mal mittellos. Von Menschen, die zwar arbeiten, davon aber nicht leben können („working poor“), mal ganz zu schweigen.

Vor der Angst selbst arm zu werden, schützen wir uns selbst. Auch ich will, von sozialen Sicherheitsgefühl getrieben, den Anschein erwecken, um jeden Preis „dabei“ zu sein zu können, obwohl ich mir das eigentlich nicht selten gar nicht leisten kann. Das Konto wird dabei monatlich gegen null gewirtschaftet. Gesellschaftliche Teilhabe kostet schließlich eine Menge Geld: brunchen gehen, den neusten Escape Room ausprobieren, kennst du schon das neue Anno 1800, wie du hast kein Netflix Ultra HD, jetzt sei doch nicht so ein Geizhals, der Cocktail kostet zwar 7,80 Euro, aber man lebt nur einmal und ins Grab kannst du eh nichts mitnehmen, kauf dir endlich mal die neue Apple Watch und dann ab in den Urlaub in die USA!

Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder ich spiele dieses Spiel mit, bin dabei und gesellschaftlich im Game oder: ich ziehe mich zurück. Letzteres wäre irgendwie ganz schön scheiße, also ab dafür! Monopoly Real Life.

Bitte nicht falsch verstehen: klar kann man sich das Mitspielen als Erzieher leisten, doch schwingt immer die latente Angst mit, dass Krankheit, Verlust des Jobs oder Trennung (sich alleine ne Wohnung zu leisten wird auch in Leipzig immer unmöglicher) eintreten und man dann selbst in die Armutsfalle rutscht. Aber pssst … das soll niemand wissen. In Diskussionen überspielen wir das lieber mit dem selbstsicheren Satz „uns geht es doch eigentlich ganz gut, andere verdienen viel weniger als wir“, den wir uns schon so sehr eingeredet haben, dass wir wirklich daran glauben … an dieses großartige System: bis zum Renteneintritt mindestens 40 Stunden pro Woche arbeiten, um dann gerade so genug in die Rentenkasse eingezahlt zu haben, dass wir uns wenigstens noch eine 20 Quadratmeterbutze irgendwo in der Nähe einer Großstadt leisten können. Wenn wir Glück haben, leben wir dann nicht mal allein.

Krass, was diese – oft unausgesprochene – Angst mit uns macht. In meinem Falle habe ich jahrelang neben meinem Beruf, den ich gelernt habe, immer noch etwas anderes gearbeitet und dabei wahrscheinlich schon jede Branche kennengelernt. Nach 40 Stunden Kindergarten ging es dann beispielsweise im Supermarkt Getränkekisten schleppen, auf dem Rad Essen ausliefern, bei einem Automobilzulieferer Autositze aus Lederteilen stanzen, Zeitungen austragen, Babys sitten, Blogeinträge für Firmen schreiben, Jingles für Webradios einsprechen, Dorffeste moderieren, für einen Fußballverein Kameramann sein, Rentnern an der Volkshochschule das Handy erklären und am schnellsten kommt man übrigens zu Geld, wenn man bei Gayromeo nett zu älteren Männern ist.

All meine Ersparnisse habe ich konsequenterweise dafür eingesetzt dass ich mir ein Studium leisten kann, das mir einen Job ermöglicht, der all meine Nebentätigkeiten obsolet macht. Geld ausgeben, um mehr Geld zu kriegen, klingt fast nach einer Investition, ist wohl auch eine. Zwar sollte Bildung in Deutschland frei zugänglich sein, in Wirklichkeit ist es jedoch so, dass private Hochschulen einen fast 5-stelligen Betrag für die Möglichkeit der Erlangung eines akademischen Abschlusses verlangen dürfen.

Okay, sagt man sich, schließlich verdiene ich dafür in vier Jahren auch ein bisschen mehr Geld und mache als Sozialarbeiter irgendwas beruflich sinnvolles (ein ganz schön ökonomischer Gedankengang).

Doch bis es soweit ist, rocke ich weiter 40 Stunden Erzieherdasein, sitze jeden zweiten Samstag in der FH, verzichte auf einen großen Teil meiner Freizeit und meines Privatlebens und rede mir ein: eigentlich geht es mir doch ganz gut, andere haben es viel schlechter als ich. Um in Wirklichkeit einfach nur Angst davor zu haben, irgendwann mal arm und einsam zu sein.

Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt der Kapitalismus noch heute.

Bis bald. Tschöö.

Dänischer Fußballer gegen Homophobie: SO macht man das!

Gibt man „Viktor Fischer“ in die Bildersuche ein, hat man schnell seinen neuen Lieblingsfußballer gefunden. Aus (optischen) Gründen. Aber ihr braucht euch gar keine Hoffnungen zu machen, Jungs: der 24-jährige Viktor ist nicht schwul.

Dennoch wurde er zum wiederholten Male bei Fußballspielen homophob beschimpft (siehe queer.de). Das ließ er aber nicht auf sich sitzen und ging in die Offensive (um mal beim Fußballdeutsch zu bleiben).

Nach Spielende reagierte er mit einer schlagkräftigen Geste: er warf er den homophoben Schreihälsen Kusshändchen zu. Anschließend sagte er in einem Interview: „Homosexual should not be, not now, not ever be an abusive word, especially not in 2019 in Denmark“ und „Homophobia must not be accepted and should be looked upon the same way as racism.“

Stark! Würde man sich von mehr Fußballern so wünschen.

Bis bald. Tschöö

Meine eigene Limo Marke

Auf Instagram merkt ihr es gerade besonders deutlich: ich mutiere zum Junkfoodblogger. Und irgendwie finde ich das gar nicht mal so schlimm. Neben irgendwelchen Süßigkeiten oder Restauranthöhepunkten poste ich vorwiegend richtig geile Limo. Ich liebe Limo!

Kaum zu glauben, dass mein Freund – und nicht ich selbst – auf die Idee gekommen ist, was mein Lebenstraum sein könnte: eine eigene Limo Marke! GEILO!

Würde ich den Gedanken zuende denken, gäbe es irgendwann Original japanische Matcha Limo aus Leipzig mit meinem Gesicht drauf!! Wie fucking genial, ist das, Leuddä?

Die Freude würde aber wohl nicht lange anhalten. Zwar wäre mein Getränk der absolute Verkaufsschlager und jede noch so kleine Hipsterkneipe im Leipziger Westen würde die Matcha Limo mit Aleks-Gesicht vertreiben wollen … ach was sage ich: dieses göttliche Getränk stünde deutschlandweit in jedem Getränkeregal und wer es verpasst, mein Produkt in sein Sortiment aufzunehmen, wird vom Kunden eiskalt bestraft und leider seinen Laden dicht machen müssen.

Irgendwann würde dann die EU auf mein Produkt aufmerksam werden und – nachdem die Originale japanische Matcha Limo aus Leipzig mittlerweile in über 30 Ländern weltweit vertrieben wird – genauer unter die Lupe nehmen. Aus Verbraucherschutzgründen dürfte ich mein Getränk dann nicht mehr Limo nennen, weil offenbar – jetzt kommt’s – zu wenig (!!) Zucker drin ist (solche Argumente gibt’s wirklich).

Doch es kommt noch schlimmer: das Label „japanisch“ gilt nur, wenn es auch dort hergestellt wird. Also auch das weg. Matcha Getränk aus Leipzig geht nun auch nicht mehr, weil das ja suggerieren würde, dass der Matcha in Leipzig angebaut werden würde und das geht so auch nicht, wir sind immer noch in Deutschland!!

Tja, als Alleinstellungsmerkmal bliebe nun nur noch mein Face auf der Flasche. Und weil selbst das Fritz Cola besser kann, findet mein „grünes Teemischgetränk von Aleks“, wie es in den letzten Monaten des Firmenbestehens nur noch heißen würde, kaum noch Abnehmer.

Bevor es zu dieser Story kommt, dann eben doch keine Limo von mir. Schade, wäre ein cooles instagramfähiges Startup geworden.

Bis bald. Tschöö.

Entschleunigung

Manchmal bin ich müde. Tagelang müde. Und irgendwie wünsche ich mir heimlich eine Entschleunigung meines Lebens. Mehr Zeit fürs Bücherlesen. Mehr Zeit fürs Matcha-in-der-Sonne-trinken. Mehr Zeit zum Nachdenken.

Doch wie das immer so ist: entweder man hat viel Geld und wenig Zeit oder man hat viel Zeit und dafür wenig Geld. Und was soll ich sagen: im Gegensatz zu der üblichen Annahme, dass Bildung frei sein sollte, bezahlen sich die 10.000 Euro für das Studium nicht selbst ab.

Also geht’s wohl erstmal mit Vollgas weiter: unter der Woche werden 40 Stunden im Kindergarten gerockt und das Wochenende verbringe ich mit meinem Studium. 3 Jahre habe ich so noch vor mir.

Bis bald. Tschöö.

Treibt es bunt! Seid crazy!

Boah, um herauszufinden, wie langweilig unsere Gesellschaft ist, muss man nur einen Blick in die Fußgängerzone werfen. Alle haben sie schwarze, graue oder zumindest – wie sagt man so schön – „dezente“ Kleidung an. Kaum einer traut sich an Farbe heran oder wagt es, wahrscheinlich des Mainstreams wegen, stylisch mal komplett aus der aktuellen Mode auszusteigen.

Keine Ahnung, ob es an so einer Art Schwarmintelligenz liegt, dass wir diesen Einheitsbrei eben „schön“ finden oder ob es tatsächlich in unserer Gesellschaft so ist, dass man verdammt nochmal lieber nicht aus der Reihe tanzen sollte. Normal sein. Langweilig eben. Und das auf dem Land noch viel mehr als in einer Großstadt wie Leipzig.

Am liebsten sind mir ja die ganzen Instagram-Bekanntschaften, die immer mit clickbaitähnlichen Unterschriften wie „wir crazy Mädels“ versuchen, ihren Besuch in einer Cocktailbar abzufeiern. Kleiner Tipp: wer schreibt, dass er crazy ist, ist ganz sicher eins nicht: nämlich crazy! Zurück in der „realen Welt“ angekommen versinken sie dann wieder in der bedeutungslosen, angepassten Masse.

Wie ich auf dieses Thema komme, hat niemand gefragt? Gestern waren mein Freund und ich auf einem Konzert der Band „Bilderbuch“ – ein Träumchen, sage ich euch. Habe lange nicht mehr so ein gutes Konzert erlebt! Die Leute, die sich das Konzert angesehen haben, waren all das, was ich oben beschreibe, nicht! Unangepasste, dünne, dicke, rothaarige, blauhaarige, extravagente Brillenträger, also von mir aus „Hipster“, die sich offensichtlich keine Sorgen darüber machen, was die Anderen von ihnen denken mögen. (Oder vielleicht doch und gerade deshalb so ausgefallen gekleidet sind.)

Wie auch immer. Mein Appell an euch ist: treibt es bunt, seid von mir aus crazy, aber dafür richtig und nicht nur aus Prestigegründen. Eine Welt voller einzigartiger Charaktere, die so sind und so aussehen, wie sie gerne möchten, ist mir allemal lieber, als diese schwarz-graue Einheitsmasse, die keine eigene Meinung hat.

Bis bald. Tschöö.

Preschoolers For Future

Morgen gehen wir mit unseren Vorschülern zur hiesigen „Fridays For Future“ Demonstration. Wie ihr über die Medien vielleicht mitbekommen habt, demonstrieren Schüler dort jeden Freitag für eine bessere Klimapolitik. Welcher Ort könnte also besser geeignet sein, um Kindern Demokratie, Teilhabe und Mitsprache zu verdeutlichen? Nicht nur in unsere Konzeption sind Demokratie- und Umweltbildung wichtige Ansatzpunkte. Auch unsere Kinder setzen sich stark mit dem Thema Natur, Pflanzen und Tiere auseinander. Wir Erzieher – und nicht zuletzt auch die Kinder – finden, dass es sich lohnt, sich demokratisch in einer Gesellschaft zu engagieren. Und dass es überhaupt nicht darauf an kommt, wie alt man ist. Im Gegenteil: schließlich müssen unsere Kinder irgendwann mal mit der Umwelt auskommen, die wir jetzt gerade ausbeuten und zerstören, also sollte insbesondere diese Generation auf Themen aufmerksam machen dürfen, die vorrangig sie betreffen. Aus diesen Gründen gehen wir morgen zur Demo und sind quasi die „Preschoolers For Future“.

Passend zum Thema kann ich euch (und jedem sogenannten „Klimaskeptiker“ übrigens folgendes Video von Harald Lesch empfehlen, indem das „AfD-Klimaquiz“ wissenschaftlich auf seinen Wahrheitsgehalt geprüft wird. Sehr, sehr interessant.

Bis bald. Tschöö.